Mit einer Reihe von Maßnahmen will die Regierung den Fachkräftemangel mindern. Bei einem Treffen mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern kündigte Arbeitsminister Hale an, dass die Einwanderung schnell erleichtert werde.
Fachkräftemangel herrscht in fast allen Branchen – im verarbeitenden Gewerbe, in der Pflege und im Dienstleistungsbereich. Fast die Hälfte der Unternehmen in Deutschland gibt an, unter einem Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften zu leiden. Die Regierung will nun mit einer „Qualifizierungsstrategie“ gegensteuern. Das erklärten Arbeitsminister Hubertus Heil, Finanzminister Robert Habeck und Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger nach einem Treffen mit Wirtschafts- und Gewerkschaftsvertretern in Berlin. Laut der Nachrichtenagentur Reuters listet der 41-seitige Entwurf mehrere Ansatzpunkte auf – etwa mehr Ausbildungsgarantien, bessere Work-Life-Balance, flexible Rentenübergänge und mehr Zuwanderung.
Die Zuwanderung muss neu organisiert werden
Die seit langem geplante Modernisierung des Einwanderungsrechts soll noch in diesem Jahr beginnen, sagte Hale. Ziel ist es, die Zuwanderung von Fachkräften aus Ländern außerhalb der Europäischen Union zu vereinfachen. “Das wird voraussichtlich Anfang nächsten Jahres entschieden.”
Gemeinsam mit Innenministerin Nancy Faeser will Heil Eckpunkte für eine Modernisierung des Ausländerrechts skizzieren. Ein Bestandteil soll die Einführung eines Punktesystems sein, das Hale als „Chance-Karte“ bezeichnet. Anhand einer jährlich festzulegenden Quote sollen Arbeitsuchende aus Drittstaaten nach Deutschland kommen können, wenn sie drei der vier Kriterien erfüllen. Das seien Bildung, Sprachkenntnisse, Alter und Berufserfahrung, sagte Heil.
Stark-Watzinger verwies in diesem Zusammenhang auf Vereinfachungen bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen. „Wir sind ein Einwanderungsland für Fachkräfte und es ist besonders wichtig, bürokratische Hürden abzubauen“, sagte der FDP-Politiker.
Heil kündigte zudem an, eine Ausbildungsgarantie zu schaffen und die Weiterbildung voranzutreiben. Er verwies auf geplante Mittel wie die Qualifizierungsbeihilfe, mit der die Bundesagentur für Arbeit die betriebliche Ausbildung fördern soll.
Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Hambeck nannte es aus wirtschaftspolitischer Sicht inakzeptabel, wenn es zu Behinderungen im Zusammenspiel von Familie und Beruf komme. „Wenn Sie sich privat dafür entscheiden, sich mehr um Ihre Kinder zu kümmern als zu arbeiten, ist das völlig in Ordnung“, sagte der Grünen-Politiker. „Wenn es in der Arbeitswelt politische Barrieren oder Hemmnisse gibt, die eine Teilhabe an der Arbeitswelt verhindern, dann ist das aus wirtschaftlicher Sicht nicht richtig.“
Auch der Arbeitgeberverband BDA sieht Handlungsbedarf im Bereich Gleichstellung. Notwendig sei „eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – damit wir die Erwerbsbeteiligung insbesondere von Frauen deutlich steigern können“, sagte BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der „Rheinischen Post“.
Gewerkschaften basieren auf Tarifverträgen
Vor dem Gipfel zum Fachkräftemangel hatten die Gewerkschaft ver.di und die Beamtengewerkschaft DBB mehr Beschäftigte und bessere Bedingungen für den öffentlichen Dienst gefordert. Dem Fachkräftemangel in der Gesundheits- und Altenpflege könne nur mit mehr Personal und einem Bundestarifvertrag begegnet werden, sagte ver.di-Chef Frank Werneke.
Die IG Metall forderte eine schnelle Umsetzung der Pläne der Regierung. Entscheidend sind die drei Faktoren Bildung, Ausbildung und Stärkung des Tarifvertrags. So können Fachkräfte mit guten Löhnen und guten Arbeitsbedingungen rekrutiert werden.
Zunehmende Alterung der Gesellschaft
Laut einer vom Arbeitsministerium in Auftrag gegebenen Studie wird der Hauptgrund für den Fachkräftemangel die zunehmende Alterung der Gesellschaft sein. Die bis 2026 auf rund 240.000 Personen geschätzte Fachkräftelücke aus neuer Nachfrage und neuem Angebot ist weniger als halb so hoch wie noch im Vorjahr erwartet (540.000 Personen). Dies ist auf ein höheres Arbeitskräfteangebot, beispielsweise von Flüchtlingen aus der Ukraine, und ein geringeres Wirtschaftswachstum zurückzuführen.