Stand: 08.09.2022 16:23 Uhr                 

Anleger reagieren nach dem Umzug der Europäischen Zentralbank kühl auf die hohen Zinsen. Vor allem die Äußerungen von EZB-Chefin Christine Lagarde bescheren dem DAX Kursverluste.

In einem historischen Schritt erhöhte die EZB am Nachmittag die Leitzinsen um 75 Basispunkte auf 1,25 %. Es ist die stärkste Erhöhung der Leitzinsen seit Einführung des Euro als Währung im Jahr 1999. Die Entscheidung fiel im EZB-Rat einstimmig.

Obwohl auch auf diesem Niveau mit einer Zinserhöhung gerechnet wurde, fiel der DAX am Nachmittag deutlich und erreichte zwischenzeitlich ein neues Tagestief von 12.700 Punkten. Das Tageshoch lag bei mindestens 13.008 Punkten, 300 Punkte höher. Der Index hat sich von seinem Tief im unruhigen Handel etwas erholt.

In Bezug auf die Markttechnologie zeichnet sich jedoch nach einem gescheiterten Versuch, die 13.000-Punkte-Marke zu durchbrechen, laut den Chart-Experten von ING wieder eine Rückkehr zur Unterstützung bei 12.600 Punkten ab.

„Nach ihrem späten Start gibt die EZB Gas. Die Zinsen steigen weiter. Die Datenlage hat sich zuletzt nicht verschlechtert, aber die hohen Inflationsraten halten zu lange an. Das erhöht das Konsolidierungsrisiko und seit einem Jahr mit einem Inflationsproblem konfrontiert. Die Frage ist nur, warum das so spät auftaucht”, kommentiert Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank.

Ein pessimistischer Ausblick

Weniger der grundsätzlich erwartete Anstieg, sondern eher der pessimistische Ausblick von EZB-Chefin Christine Lagarde kommt bei Anlegern nicht gut an. Angesichts der Erdgaskrise und der hohen Inflation geht die Bank von düsteren Konjunkturaussichten für die Eurozone aus.

Wirtschaftsupdate vom 08.09.2022

Stefan Wolff, Personal, 08.09.2022 09:48 Uhr

Die Konjunktur werde sich deutlich verlangsamen, sagte Lagarde nach der Zinssitzung in Frankfurt. Später im Jahr und im ersten Quartal 2023 wird mit einer Stagnation gerechnet. Diese Aussichten spiegeln sich auch in den jüngsten von Experten der EZB erstellten Prognosen zum Wirtschaftswachstum wider. Diese wurden für den Rest dieses Jahres und für 2023 deutlich nach unten revidiert.

Experten rechnen nun mit einem Wachstum von 3,1 Prozent für 2022, 0,9 Prozent für 2023 und 1,9 Prozent für 2024. Viele Volkswirte gehen inzwischen davon aus, dass die Wirtschaft im Euroraum aufgrund der anhaltenden Energiekrise, des Krieges in der Ukraine und der Lieferkette schrumpfen dürfte Noch nicht überwundene Probleme könnten im Herbst in eine Rezession abgleiten. Jüngste Wirtschaftsdaten haben diese Befürchtung zuletzt bestätigt.

Der Euro wirkt sich auf die Inflation aus

Nach dem Zinsentscheid der EZB notiert der Euro wieder unter dem US-Dollar bei 0,9972 US-Dollar, ebenfalls in unruhigem Handel. Letzten Dienstag erreichte er mit 0,9864 $ ein fast zwanzigjähriges Tief. Der Zinsanstieg wurde auch am Devisenmarkt erwartet.

Währungswächter beobachten die Entwicklungen an den Devisenmärkten sehr genau, und auch der Wechselkurs des Euro wirkt sich auf die hohe Inflation aus, teilte die EZB heute Nachmittag mit. „Aber wir streben keine Parität an“, sagte Frau Lagarde mit Blick auf die einheitliche Währung. Die EZB habe dies nicht getan und werde dies auch in Zukunft nicht tun, betonte er.

Der Euro hat seit Jahresbeginn gegenüber dem Dollar gut zwölf Prozent an Wert verloren. Dadurch werden Waren aus dem Euroraum auf dem Weltmarkt preislich attraktiver. Andererseits führt der schwache Eurokurs dazu, dass viele Importe, wie zum Beispiel Öl, teurer werden, was die Inflation weiter anheizt. Die Gaskrise hatte die Gemeinschaftswährung zuletzt auf ein 20-Jahres-Tief gegenüber dem Dollar fallen lassen.

Anleihen umgekehrt

Inzwischen fallen auch die Kurse am Rentenmarkt deutlicher, im Gegenzug ist die Rendite der 10-jährigen Fed auf 1,66 % gestiegen.

Da die EZB versucht, auf der Grundlage von Daten über die Zukunft zu entscheiden, sind weitere Zinserhöhungen in der Luft – zumal der neue Leitzins von 1,25 % angesichts der höchsten Inflation seit Jahrzehnten historisch niedrig bleibt. Lagarde erklärte, dass der Zinssatz noch nicht die Neutralität erreicht habe.

Wall Street im Minus

Gegen den heimischen Markt kommt auch aus New York, wo alle wichtigen Aktienindizes zum Handelsstart fallen. Der Top-Dow Jones ist um etwa 0,75 % gefallen, der technologielastige Nasdaq um knapp 1 %. Allerdings erholen sich die Indizes derzeit und begrenzen ihre Verluste.

Auch an der Wall Street ist die Zinsentscheidung aus Europa das beherrschende Thema. Deutlich besser läuft es hingegen am Rentenmarkt, wo die Renditen der 10-jährigen Staatsanleihe nur leicht steigen und die der zweijährigen um etwa 1 Prozent auf 3,47 Prozent.

Rezessionssorgen belasten die Ölpreise

Die Ölpreise sind jetzt leicht positiv, nach schwachen Preisen am Morgen. Die Ölpreise fielen gestern auf ein Mehrmonatstief. Ein Barrel Brent aus der Nordsee kostete so wenig wie im Februar und ein Barrel US-WTI-Öl so wenig wie seit Januar nicht mehr.

Hintergrund sind wachsende Konjunkturängste, angeheizt durch den Ukrainekrieg, den harten Kampf vieler…